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4. März 2020

VergissDeinNicht No. 3

Ich habe mich vergessen. Es führt kein Weg an diesem Eingeständnis vorbei. Wo ist die selbstständige, unabhängige Frau hin, die ich einst war? Wie konnte ich das Wertvollste, das ich mir je erarbeitet habe, so schnell verlieren? Oder war es immer schon eine Illusion?
Wieder einmal kämpfe ich mit meinem Selbstwertgefühl. Ich kann meinen eigenen Wert nicht erkennen. Innerlich wie äußerlich fühle ich mich leer. Ich bin eine Hülle, ein Schatten der Person, die ich sein könnte.
Habe ich mich zu sehr auf die Liebe meines Lebens verlassen? Habe ich mich darauf verlassen, dass er mich glücklich macht, mich hält und stützt? Wie konnte ich mich selbst so sehr vergessen? Als hätte ich von Anfang an gewusst, dass dies die größte Gefahr für mich ist, habe ich dieser Kolumne ihren Namen gegeben.
Dabei muss ich eins ganz klar sagen: Wir sind eine Einheit. Zusammen sind wir doppelt stark. Wir geben einander Kraft. Er mir, so wie ich ihm.
Doch all das hilft nichts, wenn du gezwungen bist, acht Stunden täglich abzusitzen in einem Gefängnis, das sich Arbeit nennt. Durch mein Traineeprogramm wurde ich seit neun Monaten von Abteilung zu Abteilung gereicht. Keine Möglichkeit, sich an ein Team zu binden, sich gefühlsmäßig niederzulassen oder gar Verantwortung zu bekommen. Jetzt sollte alles anders sein. Ich bin in meinem Team angekommen. Nur wurde ich nicht angenommen. Es gibt hier nichts für mich zu tun. Das Gefängnis, in das ich geraten bin, nagt sich wie Termiten durch mein Selbstwertgefühl. Ohne Arbeit keine Anerkennung. Kein Gefühl der Bestätigung oder des Gebrauchtwerdens.
Mir ist völlig klar, dass ich das auf mich projiziere und mich damit völlig runterziehe.
Ich mache bei jeder Gelegenheit Sport, um das Gefühl von Erfolg nicht zu vergessen. Dabei ist Sport und Diät für mich immer eine schmale Grenze zu unkontrollierbaren Body Issues. Wie eine Seiltänzerin versuche ich fit zu werden, ohne in Selbsthass zu verfallen.
Doch ich bin streng mit mir. Unzufrieden mit meiner Figur versuche ich mich dennoch zu lieben. Ich will versuchen, mehr auf mich zu achten. Mir Dinge zu gönnen. Mich selbst zu lieben und zu verwöhnen. Gelingen will mir das im Moment nur nicht so recht. Vor allem fällt mir das auf, wenn ich es mir nicht wert bin, mir gute Produkte, Cremes oder ähnliches zu kaufen. Wenn ich seine Komplimente nicht mehr annehmen kann. Wenn ich am liebsten sofort das Licht ausmachen würde.
Es darf so nicht weitergehen. Ich muss anfangen, wieder an mich selbst zu glauben. Ich will wieder stark sein. Ich weiß, dass mein Selbstbewusstsein noch in mir schlummert. Tief vergraben, doch es ist da. Ich will es wiederfinden. Ich muss es wiederfinden. Es ist der einzige Weg, mich nicht völlig zu verlieren.
Gerade gibt es nur eins für mich. Das Schreiben hält mich am Leben. Es ist mir wichtiger, als alles andere. Denn keiner kann mir meine Geschichten nehmen. Ich glaube, dass das Geschichtenerzählen in unserer ursprünglichsten Natur liegt. Es ist die Art, wie wir lernen. Jede neuere Art des Lernens fällt uns schwer, weil sie nicht richtig ausgeführt wird. Wir sind alle Geschichtenerzähler. Geschichten müssen nicht gelernt werden. Sie werden einfach erzählt. Ich fühle, dass es das ist, was ich tun will.
Dass mir die Zeit fehlt, ist eine furchtbar schlechte Ausrede. Vielmehr fehlt mir der Mut und das Selbstbewusstsein. Mir fehlt der Glaube an mich selbst. Doch tief in mir, da weiß ich, dass es das einzige ist, was ich tun will. Ich will schreiben, egal, was andere davon halten.